Tja, da schauen die treuen Leser von Teslamaniacs verwundert – eine Woche mit einem nicht-Tesla. Und interessant sowie aufschlussreich war’s! Nein nein, ich bleibe der Voyager treu, keine Sorge, aber solch Blick über den Tellerrand ist ungemein hilfreich sich zu erden, offen für Neues zu sein und auch zu schätzen, was man hat.

Der Polestar 2 hat mir de facto immer schon gefallen. Das bullige Design, „Thors Hammer“ als Leuchtendesign, das kantige. Unglaublich, wenn man bedenkt, welches Fahrzeug ich privat fahre. Großer Dank geht jedenfalls an Polestar Österreich für die einwöchige Leihgabe damit ich euch meine Eindrücke aus dieser Woche alltäglicher Fahrten mit dem Polestar 2 schildern kann.

Polestar 2

Video zum Artikel

Ersteindrücke zum Polestar 2

Gleich am ersten Morgen hatte ich folgende Ersteindrücke auf Twitter notiert – und wow, hat den in den Tweets gar nicht so üppig ausgesehen. Was ich zudem gleich ganz zu Anfangs betonen möchte: Hierbei handelt es sich weder um eine „Review“ die auf alle Details des Fahrzeugs eingeht bzw. eingehen kann noch um einen Vergleich zwischen meinem Model 3 und dem Polestar 2, wenngleich natürlich hie und da Vergleiche stattfinden müssen.

  • schöner Innenraum, hohe Qualität, nerviges schwarzes hochglanz-Plastik
  • kein Startknopf, super
  • nette Ambientbeleuchtung, da ginge aber noch mehr
  • tolle Holz Applikationen
  • recht leise, ich hätte aber noch weniger Fahrgeräusche erwartet
  • sehr seltsamer Blinkerton
  • Fahrkomfort ist gut aber nicht komfortabel, eher sportlich/steif
  • Kardantunnel benötigt unnötigerweise (für ein Elektroauto) viel Platz im hinteren Fußraum
  • gute Beschleunigung aber nicht so direkt wie Tesla
  • Lenkung OK aber Lenkrad fühlt sich zu groß an
  • Außendesign kantig und frisch
  • sieht größer als ein Model 3 aus, ist es aber nicht
  • kein unnötiger Zierrat außen
  • Riesige Lichter
  • Tolle Scheinwerfer mit wunderbarem Licht
  • Android Automotive ist gut bedienbar, kann man gut mit leben aber ich bin mir nicht sicher ob ich es besser als z.B. Tesla finde
  • Google Assistent hat die schreckliche deutsche Stimme
  • CarPlay ist dabei, super
  • gutes Soundsystem
  • Display hinter Lenkrad „nett“ aber für mich persönlich kaum Mehrwert
  • Vollständige Liste von Fahrassistenten
  • Spurhalteassistent funktioniert erstaunlich gut, driftet aber auch gerne mal  zu weit nach links oder rechts
  • TACC funktioniert extrem gut, noch samtiger als Vision Only Autopilot
  • Lenkradtasten etwas angestaubt

Nun wollen wir uns mal ansehen, was sich einige Tage später zum Polestar 2 für mich herauskristallisiert hat. Dazu will ich diesen Artikel in Fahren, Interieur, Exterieur, Infotainment sowie Assistenz gliedern.

Fahren im Polestar 2

Das Fahren ist wohl der wichtigste Punkt an einem Auto und doch ist er zum Teil einer der am subjektivsten wahrgenommenen. Was die eine Person als hart gefedert und ungemütlich empfindet, empfindet die nächste Person als sportlich und gerade richtig. Für mein Empfinden ist das Fahrwerk des Polestar 2 recht straff ausgelegt, fast schon sportlich, selbst ohne das optionale Sportpaket. Speziell kurze Stöße werden merklich in den Innenraum geleitet, Wind- Fahrt und Abrollgeräusche sind aber erfreulich leise. Das Fahrwerk vermittelt, wie die meisten Aspekte zum Polestar 2 einen hochwertigen und soliden Eindruck.

Trotz des straffen Fahrwerks empfand ich selbiges als eine spur komfortabler als ich es gewohnt bin. Die etwas höhere Sitzposition verleitete mich persönlich aber weniger dazu, die Sportlichkeit des Polestar 2 eingehender zu testen – schließlich bin ich ja auch kein Profi-Reviewer der regelmäßig Fahrzeuge auf die Rennstrecke bringt.

Polestar 2

Punkto Performance verspricht Polestar eine Beschleunigung von 0 auf 100km/h in 4,7 Sekunden. Ohne dies genau gemessen zu haben dürfte er das erreichen. Die 660Nm Drehmoment aus zwei Motoren und insgesamt 408PS (300kW) sorgen für ordentlich Schub. Die Kraftentfaltung ist hierbei aber weniger explosiv wie bei der Konkurrenz aus Fremont. Es ist sehr schwer zu beschreiben, denn da ist nicht mal eine „Gedenksekunde“ wie manch andere Konkurrenten vermitteln. Geht man direkt aus der maximalen Beschleunigung in die Rekuperation (die ist übrigens ordentlich und ermöglicht beim Polestar 2 ein vollständiges one-pedal-driving) so kann dieses Umschalten etwas ruppig sein. Hier könnte der Hersteller durchaus noch ein wenig an der Steuersoftware feilen.

Betätigt man das Bremspedal so erfolgt nochmals höhere Rekuperation bis die physischen Bremsen die Arbeit aufnehmen und diese packen, sofern notwendig, kräftig zu. Rekuperation & physische Bremsen nahtlos zu kombinieren ist eine gute Lösung die zudem butterzart funktioniert. Insgesamt kommt beim Polestar 2 definitiv Fahrspaß auf, nur das recht große Lenkrad empfand ich als etwas unsportlich, egal in welcher Softwareeinstellung.

Interieur & hardwareseitige Bedienung

Ob man das Interieur des Polestar 2 als luftig oder einengend empfindet kommt sicherlich stark auf Körpergröße und auch persönliche Präferenz an. So groß das Fahrzeug von außen wirkt, so kompakt fühlt es sich von innen an.

Polestar 2 Interieur

Ich bin relativ empfindlich, was das „eingeengt fühlen“ betrifft, und hier war der Polestar 2 für mich persönlich hart an der Grenze. Die relativ weit nach unten gezogene Dachkante schränkt schnell den Blick auf Ampeln ein und das die Sensorik beherbergende Element hinter dem Innenspiegel raubt ebenfalls etwas die Sicht. Hinzu kommt ein recht hoch wirkendes Armaturenbrett mit Display hinter dem Lenkrad, das konstruktionsbedingt etwas weniger „luftig“ wirkt als Lösungen ohne oder mit kleinerem Display hinterm relativ großen Lenkrad.

Polestar 2 Interieur

Beide Displays, jenes hinterm Lenkrad wie auch das Hauptdisplay sind extrem gut lesbar mit klaren Schriften und gutem Kontrast. Vorbildlich bei Tag wie auch bei Nacht. Die Materialen fühlen sich zum größeren Teil hochwertig an, wenngleich auch Polestar diesen unsäglichen hochglänzenden schwarzen Kunststoff verbaut. Liebe Autohersteller: LASST DAS SEIN. Das sieht nur im Prospekt nett aus, in der Praxis ist es einfach mühsam und quasi immer hässlich da verstaubt, verschmiert oder beides.

Polestar 2 Wählhebel

Das Armaturenbrett selbst weist glücklicherweise keine glänzenden Elemente auf, hier finden wir mattes Holz (genial schön) und groben Stoff (ebenfalls sehr schön und hochwertig) zusammen mit ein paar silbernen Elementen im Bereich der manuellen Lüftungsdüsen.

Polestar 2 Interieur

Begeben wir uns aber zur unteren Hälfte des Armaturenbrettes in Richtung Mittelkonsole so finden wir einerseits sehr viel schwarzen Glanzlack und andererseits kaum noch weichen Kunststoff. Die Mittelkonsole ist extrem breit (und das sage ich aus einem Model 3 kommend, wer das kennt, weiß, was ich meine) und selbst ich als relativ schmaler Mensch stoße mit den Knien an, sobald ich dank Tempomat nicht mehr den Fuß am Strompedal habe. Hier wäre deutlich mehr möglich gewesen, z.B. mehr vom schönen matten Holz anstatt des schwarzen Klavierlacks.

Hauptelement der Bedienung ist schließlich das große hochformatige Display. Hier finden wir alles was Medien & Navigation sowie die Einstellungen des Fahrzeuges betrifft. Die Temperaturregelung im Auto erfolgt ausschließlich über das Display (oder den Google Assistant).

Polestar 2 Hauptmenü

Direkt unterm Display finden wir eine Qi-Ladeschale für EIN Mobiltelefon sowie einen USB-C Anschluss für Strom und Daten und einen zweiten der nur zum Laden verwendet werden kann.

Polestar 2 Qi Ladeschale

Polestar 2 USB-C Anschlüsse

Wieder etwas weiter hinten finden wir einen Drehregler zum Einstellen der Lautstärke (praktisch) und Knöpfe für die Warnblinkanlage sowie Front und Heckscheibenenteisung. Polestar hat hier einen seltsamen Weg gewählt, denn das gesamte Element aus Drehknubbel und den drei Tasten ist EINE große Taste, Sensoren erkennen, wo der Nutzer gerade drückt. Sorry, Polestar, das ist einfach nicht gut gelöst. Bitte verzichtet auf Vibrationsfeedback & Sensorik und baut echte Tasten ein, bei denen man das Drücken erfühlen kann, WENN ihr schon Tasten einsetzt.

Polestar 2 Tasten

Letztes Bedienelement der Mittelkonsole ist der Gangwahlhebel. Nach vorne gedrückt schaltet in den Retourgang, nach unten gezogen in Drive. Beides klappt wunderbar und kann zum rangieren sogar ohne vollständigen Stillstand vorgenommen werden. Zudem sieht der Hebel sehr sehr stylisch aus. Nachteil ist aber dass er im Weg ist, wenn man Drehknubbel oder eine der drei Sensortasten erreichen will. Die alte Mercedes Lösung die auch Tesla für Model 3 und Model Y annektiert hat, ist hier klar im Vorteil.

Dafür hat der Polestar 2 einen richtigen einrastenden Blinker und einen eigenen Hebel für den Scheibenwischer der sogar mit einem echten Regensensor zusammenarbeitet. Alles wie man es von einem „normalen“ Auto gewohnt ist.

Polestar 2 Scheibenwischer Polestar 2 Lichtsteuerung

Um das Interieur abzuschließen noch ein Kritikpunkt: Bei einer dermaßen breiten Mittelkonsole die Becherhalter HINTEREINANDER anzubringen und dann einen davon UNTER der Armlehne zu verstecken ist schon eine reife Leistung.

Polestar 2 Becherhalter

Überhaupt ist der Stauraum  für Fahrer & Beifahrer ist mehr als überschaubar. Links und rechts, seitlich an der breiten Mittelkonsole finden wir kleine Fächer, die üblichen Fächer in den Türen sind auch da, ansonsten bietet die riesige Mittelkonsole aber leider kaum Stauraum. Wenn man als Fahrer den EINEN gut zugänglichen Getränkehalter nutzt ist die Armauflage auch so gut wie nicht vorhanden. Das ginge deutlich besser. Bitte nachbessern beim LCI. Das Handschuhfach ist dafür ausreichend geräumig.

Die von mir getestete Variante des Polestar 2 mit „Plus Paket“ setzt auf ein Harman Kardon Audiosystem mit 13 Lautsprechern. Das System klingt solide und gibt keinen Grund zum Maulen.

Knackige Bässe und klare Höhen dürften den größten Teil der Anwender zufriedenstellen. Meine Wortwahl dürfte euch aber auch zeigen, dass ich das Audiosystem in meinem privaten Auto besser empfinde. Aber auch hier gilt: Probehören, sofern möglich, ob die persönliche Lieblingsmusik gut klingt.

Der Polestar 2 kommt zudem mit einer getönten Heckscheibe. Was genau diese bringt ist mir nicht ganz klar, die Tönung der Scheiben ist generell sehr schwach ausgefallen. Im Falle der Heckscheibe reicht es aber für ein seltsam gedimmtes Bild im Rückspiegel. Man kann zwar alles erkennen, es wirkt aber etwas seltsam.

Kleines Detail noch am Rande: Polestar projiziert im vorderen Bereich des Panoramaglasdachs das Polestar Logo ins Glas. Das sieht, speziell in der Nacht, sehr nett aus.

Exterieur

Hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes des Polestar 2 sind mir bislang noch überhaupt keine negativen Meinungen zu Ohren gekommen. Das Design kommt generell gut an, de facto habe ich mehr Leute sich umdrehen sehen, als bei meinem privaten Auto.

Polestar 2 Garage

Polestar verzichtet auf unnötigen Schnickschnack und hat ein ziemlich scharf designtes Auto auf die Straße gestellt das aber gleichzeitig auf unnötige Kanten und Sicken verzichtet. Etwas, das mich z.B. bei den Autos aus Mladá Boleslav etwas stört ;-).

Polestar 2 & Tesla Model 3

Polestar 2

Chrom gibt es gar nicht, und zusammen mit dem Metallic-weiß des Testwagens wirken die dunklen Akzente einfach toll. Das Tagfahrlicht nennt Polestar „Thors Hammer“, diese Designsprache findet sich schon seit Jahren bei Volvo und gefällt mir ausgesprochen gut.

Polestar 2

Polestar 2

Front und Heck sind überhaupt die Schokoladenseiten des Polestar 2. Da gefällt mir alles, wobei der Knopf für den Kofferraum etwas seltsam im Stoßfänger integriert ist. Da aber auch ein Wedelsensor mit an Bord ist, fällt das nicht weiter ins Gewicht.

Polestar 2

Wenn man am Design etwas monieren möchte, so wäre das meiner Meinung nach die Seitenansicht. Der Polestar 2 hat Plattformbedingt relativ große Überhänge vorne und hinten und wirkt damit nicht so elegant wie es sein könnte. Das ist aber natürlich mal wieder rein subjektiv.

Polestar 2

Wie gut auch das Design des Polestar 2 gefällt könnt ihr ja anhand der Bilder in diesem Artikel entscheiden.

Nur noch eine letzte Anmerkung: Die Außenspiegel des Polestar 2 sind unglaublich schick; hier bewegt sich beim Einstellen nicht das Spiegelglas sondern das gesamte Spiegelgehäuse, weil es ein Element ist. Das sieht in der Praxis todschick aus.

Seitenspiegel

Kofferraum & Kabelfach

Je nachdem, von welchem Fahrzeug man zum Polestar 2 kommt, dürfte der Ersteindruck zu Front- und Heckkofferraum schwanken. Der Front Kofferraum hat diesen Namen definitiv nicht verdient, er ist zwar zumindest nicht als angeflanschte Plastikbox wie bei manch anderen EVs ausgeführt, mehr als die Ladekabel kann man dort aber nicht verstauen. Das Öffnen erfolgt wie bei einer klassischen Motorhaube über einen Hebel im Fahrer-Fußraum und vorne gibt’s auch noch den klassischen Riegel, der vorm Öffnen zudem betätigt werden muss. Bitte da beim LCI nachbessern, Polestar, das ist eines echten EVs nicht würdig.

Der Kofferraum an sich ist OK aber nicht übermäßig groß. Durch die große Klappe lässt er sich aber definitiv einfacher und flexibler beladen als die amerikanische Konkurrenz. Auch der Polestar bietet etwas versteckten Stauraum unter dem Kofferraumboden, auch hier reicht’s aber nur für ein paar Kleinigkeiten. Für ein verlängertes Wochenende bei zwei Erwachsenen reicht der Kofferraum allemal aus, Familien dürften aber eher etwas mehr Platz benötigen.

Ausstattung & Preise des Polestar 2

Mein Testwagen hat die Farbe „Snow“, ein Metallic-Weiß (1100€ Aufpreis) das ich sehr schick finde sowie die Standard 19″ Felgen. Mehr als groß genug.

An Extra-Paketen hat das Fahrzeug folgende Pakete:

„Plus Paket“ (4800€ Aufpreis)

  • Panoramaglasdach mit projiziertem Polestar-Symbol
  • Harman Kardon Premium Sound
  • Air quality – Luftqualitätssystem mit fortschrittlichem Innenraumsensor und Filter
  • Weave tech Sitze in Charcoal oder Slate mit Black Ash Decor
  • Elektrisch verstellbare Sitze mit 4-stufiger Lendenwirbelstütze (Memory-Funktion beim Fahrersitz), Beinauflage und Ablagenetzen in der Rückenlehne
  • Beheizbare Rücksitze, Lenkrad und Wischwasserdüsen im Scheibenwischer
  • Energiesparende Wärmepumpe
  • Hochwertige Innenbeleuchtung
  • Drahtloses 15-W-Laden für Mobiltelefone
  • Abgedunkelte Heckscheibe
  • „Deckel im Deckel“-Taschenhalter im hinteren Gepäckraum

sowie das „Pilot Lite Paket“ (2800€ Aufpreis)

  • LED-Nebelscheinwerfer mit Kurvenlicht
  • Automatisch abblendbare Außenspiegel
  • 360° Rundumsicht
    Pilot Assistent
  • Adaptive Geschwindigkeitsregelung
  • Notfall-Assistent (Emergency Stop Assist)
  • Spurwechselassistent (Blind Spot Information System – BLIS) mit Lenkassistent
  • Warnung vor Querverkehr beim Rückwärtsfahren des Fahrzeugs (Cross Traffic Alert mit Bremsunterstützung)
  • Unfallwarnsystem (Rear Collision Warning & Mitigation)
  • Seitlicher Park Assistent

Zusammen mit der Motorvariante „Long Range Dual Motor“ kommen wir da aktuell auf 62.690€ inkl. Steuer. Uff.

Mein Testwagen hat zudem die Pixel-LED Matrix Scheinwerfer die es aktuell allerdings aufgrund des Teilemangels NICHT mehr gibt :-(.

Polestar 2 Konfigurator

Polestar 2 Konfigurator

Infotainment: Google Galore

Polestar war der erste Hersteller, der auf „Google Automotive“ als Betriebssystem des Polestar 2 setzt. Google Automotive als Fahrzeugbetriebssystem darf man bitte nicht mit „Android Auto“ verwechseln, dem Carplay Pendant von Google. Das Betriebssystem des Polestar 2 arbeitet mit sehr klar lesbarem Text, großen Touch-Flächen und einfachen geraden Formen. Verschnörkeltes oder Verspieltes ist nicht zu finden. Das kann man mögen oder auch nicht, Geschmackssache. Speziell im Display hinterm Lenkrad finde ich diese Formensprache fast schon zu nüchtern. Auch die Rekuperationsanzeige wurde z.B. in quadratische Form gepresst und ist so ein wenig weniger gut interprätierbar. Nach ein paar hundert gefahrenen Kilometern tritt dies aber natürlich in den Hintergrund.

Polestar 2 Bildschirm

Grundsätzlich bietet das Infotainment gängige Funktionen. Von übersichtlichen Klangeinstellungen über Apple Carplay hin zu Effizienzanzeigen, Apps, Radio oder Google Navigation ist alles mit dabei. Auch der Google Assistant ist an Bord, aufgerufen kann er entweder über eine separate Lenkradtaste oder den üblichen „OK Google“ Zuruf. Klappt einwandfrei.

Das Display hinter dem Lenkrad ist in dem, was es darstellt, recht limitiert. Es gibt zwei Darstellungsformen. Einerseits eine mit großer Darstellung der Straßenkarte und verkleinerter Geschwindigkeits-, Reku- und Akkustandsanzeige und eine zweite Darstellung bei der die Karte gänzlich ausgeblendet wird und eben Geschwindigkeit, Reku & Ladezustand groß dargestellt werden. Prozent-Anzeige sowie die Restreichweite in Kilometern werden immer zeitgleich angezeigt. Gut! Über eine Taste am Lenkrad kann zwischen den beiden Ansichten umgeschaltet werden, der Bordcomputer kann ebenfalls über eine Separate Anzeige eingeblendet werden.

Im Unteren Bereich dieses Displays werden schließlich auch der Status der Assistenzsysteme (hauptsächlich Tempomat, Abstandhalter & Lenkassistent) angezeigt.

Das Hauptdisplay, welches im Hochformat über der Mittelkonsole steht, bietet jederzeit Zugriff auf Sitz- und Lenkradheizung sowie die Temperatur. Leider ist der Gangwahlhebel im Weg, wenn man hier Einstellungen vornehmen will. Man kann zwar das rechte Handgelenk am Wählhebel ablegen, aber das empfand ich wenig angenehm. Das „trennen“ der Temperaturzonen von Fahrer und Beifahrer ist ebenfalls möglich. Die Lüftungsdüsen sind manuell einzustellen.

Ansonsten zeigen große Quadrate die Hauptfunktionen, im oberen Bereich wählt man zudem Kameraansicht (nicht beim Fahren, nur zum Rangieren), Fahrzeugeinstellung wie u.a. One-Pedal Einstellung oder Lenkwiderstand, springt zu den „Quadraten“ zurück und kann Fahrerprofile wechseln (anlegen oder löschen).

Eines hätte ich fast vergessen, am unteren Bildschirmrand finden wir noch einen Balken, das bezeichnet Polestar als „Bildschirmtaste“. Über längeres Drücken wird der Bildschirmreinigungsmodus aktiviert oder durch noch längeres Drücken des Display neu gestartet. Nützlich wenn GPS nicht mehr funktioniert…

Insgesamt ist die Bedienung des zentralen Displays flott und nach wenigen Stunden im Auto auch ausreichend intuitiv. Die Google Karten sehen exakt so aus wie in jeder Google Maps App, Verkehrsfluss wird zuverlässig und aktuell eingezeichnet und auch verschieben und scrollen funktioniert schnell und recht flüssig.

Und wer das alles nicht mag, stöpselt einfach das iPhone an und nutzt Apples Carplay. Das gefällt mir persönlich optisch besser und Siri hat eine weeeeesentlich nettere Stimme als der Google Assistant, der auch als Navigationsstimme fungiert.

Navigation & Ladeplanung

An der Navigation bzw. am Navigationssystem gibt es wenig zu bemängeln, de facto meint man fast einen Browser mit Google Maps vor sich zu haben – die Visualisierung ist ident. Allerdings hört genau hier dann das Userinterface des Infotainments auf und man findet seltsame Auswahllisten, die plötzlich nicht mehr so ergonomisch groß und gut zu bedienen sind. Zum Umstellen von Satellitenansicht auf die normale Kartenansicht muss man ins Menü und einen Nachtmodus für die Satellitendarstellung, sofern man diese bevorzugt, gibt’s auch nicht.

Positiv wiederum sind Funktionen, wie schnell-Aktionen auf den großen Quadraten des Infotainment Systems. So reicht schon dort in der Navigations-Sektion ein Tipp auf das Restaurant- oder das Ladesymbol um Ziele in der Umgebung anzuzeigen.

Die Liste der gefundenen Ladestationen scheint dabei auch relativ umfangreich zu sein.

Glücklicherweise patzt Polestar auch bei der Ladeplanung für Langstrecken nicht, und der vorausberechnete SoC bei Ankunft am Ziel wird ebenfalls vom System recht genau eingeschätzt – zumindest konnte ich das bei den 300 gefahrenen Kilometern feststellen.

Auf Langstrecke werden mit einem Tastendruck Schnellladestationen hinzugefügt, Verfügbarkeit  und mögliche Ladegeschwindigkeit werden angezeigt. Wie gut dies in der Praxis funktioniert bzw. ob die Daten aktuell sind, konnte ich aber nicht testen.

Lädt der Polestar 2 so werden hübsch im Display hinter dem Lenkrad alle notwendigen Informationen angezeigt, eine grün blinkende Umrandung weist ebenfalls auf den laufenden Ladevorgang hin.

Polestar 2 Ladeanzeige

Assistenzsysteme

Bei den Assistenzsystemen ist man im Polestar 2 mit Plus & Pilot Paket durchaus gut ausgestattet. Alle üblichen Kandidaten wie Totwinkelwarner mit Lämpchen in den Spiegeln), Auffahrwarnung usw. sind mit dabei. Für mich persönlich natürlich am spannendsten: Der Verkehrsabhängige Tempomat (TACC) zusammen mit dem Spurhalteassistenten. Wie gut würde das in der Praxis im Polestar funktionieren im Vergleich zu meinem privaten Fahrzeug?

Tatsächlich klappt beides sehr gut. TACC sogar noch eine Spur „smoother“ aber halt absolut klassisch. Ein Kamera und Radar basiertes System das eben den Abstand hält und entsprechend sehr sanft beschleunigt und bremst. Und das ist fein, das nutzen die meisten Leute und das funktioniert gut.

Auch der Spurhalteassistent ist in der Praxis durchaus gut verwendbar, dass er aktiv ist erkennt man aber ausschließlich am Symbol im Display hinterm Lenkrad, es gibt keinen Hinweiston. Auf der Stadtautobahn und selbst bei schon recht blassen Markierungslinien folgt der Polestar recht brav den Markierungen und bleibt meist mittig auf seiner Spur. Die Lenkeingriffe sind aber weniger selbstbewusst und gleichmäßig als bei den Fahrzeugen aus Fremont, Shanghai oder Grünheide. Auch kann’s schon mal vorkommen, dass der Spurhalteassistent nach links oder rechts bis zur Spurmarkierung fährt um dann wieder in die Mitte zurück zu fahren. Diese Vorkommnisse gefallen mir weniger gut.

Auch kann der aktivierte Spurhalteassistent jederzeit vom Fahrer überstimmt werden, hierzu reicht einfaches lenken. Es wird kein Hinweiston abgespielt und der Assistent nimmt kommentarlos wieder seinen Dienst auf, wenn man sich nach einem Spurwechsel auf der neuen Spur befindet. Für mich persönlich ist das SEHR ungewohnt aber ich empfand es als vorteilhaft. Persönlich würde ich mir auch bei meinem Auto wünschen, dass beim Blinkersetzen der Widerstand des AP wegfällt, der AP aber weiterhin aktiv bleibt und beim Ankommen in der neuen Spur einfach wieder die Kontrolle übernimmt. Die konstant nicht vorhandene Rückmeldung im Polestar stört mich aber ein wenig.

Der Polestar 2 übrigens setzt wie auch mein privater „daily driver“ auf Widerstand am Lenkrad und nicht eine kapazitive Erkennung des Fahrers am Lenkradkranz. Das gefällt mir persönlich gut, je nach Körpergröße und Sitzstellung kann dies aber auf längeren Strecken unnötig ermüdend sein.

Insgesamt konnte ich den Spurhalteassistenten zusammen mit TACC auf meinen täglichen Fahrten ins Büro wie gewohnt nutzen, so viel Sicherheit wie mein gewohntes System vermittelt jenes im Polestar subjektiv für mich aber nicht.

Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben soll die rundum-Kameraansicht bzw. die Vielzahl der Kameras an sich. Während das Vorhandensein einer 360°C Kamera  wünschenswert ist, so habe ich mich dennoch dabei ertappt die 360° Ansicht entnervt abzuschalten. Einerseits scheint Polestar hier, speziell bei der hinteren Kamera, keine sehr hochauflösenden Kameras zu verbauen, andererseits ist das Bild in der 360° Ansicht stark verzerrt und nur bedingt hilfreich. Was zuletzt vom Nutzer ausgewählt war scheint das Auto sich zudem nicht zu merken, meist landet man erst mal in der 360° Ansicht. Und trotzdem es Spiegel und auch Frontkameras gibt, so gibt es z.B. keine Ansicht, Heck und Spiegelkameras gleichzeitig anzuzeigen; das wäre aber  z.B. gerade beim Einparken sehr praktisch. Vielleicht ist es aber auch pure Gewohnheit meinerseits.

Die im Kühlergrill verbaute Frontkamera hingegen ist z war von der Auflösung her nicht anders als die anderen, aber ihr Vorhandensein kann bei manch engen Straßen oder Hausausfahrten sehr praktisch sein um herannahenden Querverkehr zu erkennen. Vom Kamerasystem hätte ich mir mehr und vor allem bessere Bildqualität erwartet.

Laden & Effizienz

Mit recht klassenüblichen 75kWh die der Polestar 2 Longrange nutzbar zur Verfügung stellt kommt das Fahrzeug auf nur 155kW maximale Ladeleistung. Eine vollständige Ladekurve habe ich dabei nicht aufgezeichnet, guckt man aber ins Netz so dürfte in der Regel eher mit 120-130kW bis 40% SoC geladen werden und danach die Ladeleistung in Stufen abnehmen. Das ginge besser, bei dieser Batteriegröße, speziell da zwischen 40 und 60% SoC nur noch mit etwa 60kW geladen wird.

An der heimischen Wallbox schafft der Polestar 2 die üblichen 11kW.

Wo der Polestar 2 leider tatsächlich Federn lässt ist seine Effizienz. Er „säuft“ a bisserl. Klar, die 8-15°C die wir aktuell in Wien hatten waren nicht die optimalen Bedingungen, dank verbauter Wärmepumpe in Plus-Paket sollte das aber noch nicht so stark ins Gewicht fallen. In meinen Fahrten genehmigte sich der Polestar 2 im Schnitt knapp unter 22kWh/100km. Das ist viel, meist um die 3kWh mehr als mein privates Auto verbraucht, und das, obwohl der Polestar 2 mit dem Plus-Paket eine Wärmepumpe an Bord hat. Hier fordern unter anderem 200kg mehr Leergewicht und eine schlechtere Windschnittigkeit ihren Tribut.

Auf 100% aufgeladen zeigt der Bordcomputer optimistische 450km Reichweite. Bei 22kWh/100km dürften es aber eher nur 340km werden, und da waren wir noch nicht groß auf der Autobahn und von 100% auf 0% fährt man das Elektroauto ja ohnehin eigentlich nie leer.

Zusammen mit der überschaubaren Ladeleistung kann das aber natürlich Langstreckenfahrten etwas in die Länge ziehen. Ich hoffe, dass Polestar hier mit einem Update die höchste Ladeleistung bis mindestens 60% SoC freischaltet, dann wäre die Ladedauer weniger ein Thema für Langstrecke.

FAZIT  zum Polestar 2

Der Polestar 2 ist ein solides Auto das sich gut fährt. Die Verarbeitung ist durchgängig hochwertig, die Geräuschkulisse im Innenraum ist leise und in der Variante mit zwei Motoren hat der Polestar 2 auch ordentlich bums und sorgt für Fahrspaß. Aufgrund der verwendeten Verbrennerplattform muss man aber leider auf einen ordentlichen vorderen Kofferraum verzichten und findet eine extrem breite und hohe Mittelkonsole sowie einen Kardantunnel im Innenraum, das unglaublich schicke Außendesign sorgt dann leider aber auch für eher mittelmäßige Effizienz, die Stahlkarosserie fordert ihren Tribut durch hohes Fahrzeuggewicht. Wer ein ganz gut zwischen Sportlichkeit und Komfort abgestimmtes und sehr gut ausgestattetes Elektroauto sucht das im Straßenbild durch das schlichte und gleichzeitig extravagante Design überzeugt und nicht gerade ultra-Langstrecke fährt, wird sicherlich mit dem Polestar 2 sehr glücklich sein. Absolut nüchtern betrachtet bekommt man aber teils fürs selbe Geld bei der Konkurrenz mehr Elektroauto, dafür mit Abstrichen an anderen Stellen.